Urs, wie hat sich deine berufliche Tätigkeit in all diesen Jahren verändert?
Zu Beginn meiner Sozi-Karriere war ich ein Hardliner: Während vieler Jahre im Massnahmenvollzug St. Johannsen war ich überzeugt vom Weg völliger Abstinenz der Klienten. Später bei Terra Vecchia lernte ich, «meine Drögis» wie ich sie liebevoll nenne, zu verstehen und zu begleiten. Das Brecheisen endgültig beiseite gelegt habe ich während der Zeit im Saurenhorn – meine Werkzeuge wurden stattdessen Gespräche, Empathie und Verständnis, in der Hoffnung auf kleine Schritte nach vorn. Und immer mit der Haltung, individuell gesteckte Ziele zu erreichen.
Warum dieser Wandel?
Aufgewachsen in einem rauhen Umfeld hatte ich als junger Mann eine harte Schale, war ein Kämpfer, siebenfacher Schweizer Meister im Judo. Die Ausbildung zum Sozialpädagogen, die Beziehung mit meiner Frau und unsere gemeinsamen Kinder machten mich sanfter. Noch etwas später wurde diese Schale durch eine schwere Krankheit endgültig aufgebrochen. Gewisse Türen kann man nicht mehr schliessen, so wurde ich offener.
Wie konntest du im Saurenhorn dein Potenzial einfliessen lassen?
Glücklicherweise fand ich im Saurenhorn die idealen Bedingungen, um mich weiterzuentwickeln. Mit voller Unterstützung von Gabriela Graber und einem stabilen, guten Team. So prägte ich das Saurenhorn in Haltung und Geist, gestaltete Innenräume sowie Aussenbereiche um, pflegte die Nachbarschaft – wie beispielsweise mit einem jährlichen Brunch im Sommer. 2023 initiierten wir eine Gartenwoche, zusammen legten wir vier riesige Hochbeete an. Der Garten ist übrigens ein Bijou, er wird gehegt und gepflegt von einem ehemaligen Klienten.
Stichwort Klienten, haben sich diese verändert während deiner Laufbahn?
Heroin-Junkies wie in den 80er und 90er Jahren gibt es heute kaum noch. Das heutige Klientel ist meist polytoxikoman, also von mehreren Substanzen abhängig. Benzodiazepine in Kombination mit anderen Drogen. Es sind oft junge Menschen, viele machen schon mit 12-14 Jahren erste Erfahrungen mit Alkohol und Cannabis, bevor sie schnell zu harten Drogen wechseln.
Und wenn du auf die Sozialpolitik zurückblickst, welche Veränderungen prägten dein Arbeitsumfeld diesbezüglich?
Anfangs der 2000-er Jahre ging die Verantwortung der stationären Suchthilfeorganisationen vom Bund an die Kantone. Klientinnen und Klienten mussten von da an in der Regel innerhalb der eigenen Kantonsgrenze platziert werden. Ruth Dreifuss' 4-Säulen-Programm – Schadenminderung, Therapie, Repression und Prävention – wurde kantonal angewendet, das war wegweisend. Ebenfalls einschneidend war der Beschluss der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern (GSI), die stationäre Therapie auf zwei Jahre zu beschränken – eine Verlängerung war nur auf Antrag an den zuständigen Sozialdienst mehr möglich. Unsere Zusammenarbeit mit den Sozialdiensten wurde dadurch enger.