Jost, du hast die Schlosserei seit 1992 aufgebaut und geprägt. Was waren grosse Herausforderungen, und wie bist du ihnen begegnet?
Am Anfang mussten wir ausprobieren, was funktioniert und eine Nische finden. Wir haben Möbel und Spezialaufträge realisiert. Auch eigene Produkte wie Büchergestelle, Kerzenständer oder Tischgestelle wurden entwickelt. Mit der Zeit haben wir uns dann auf die klassischen Arbeiten spezialisiert: Geländer, Velounterstände, spezielle Anfertigungen. Das war auch für unsere Klient:innen sinnvoller. Wir hatten von Anfang an viele Freiheiten. Eine Herausforderung war deshalb die Frage, wie wir in die Strukturen von Terra Vecchia eingebunden werden und wer überhaupt unsere Klientel ist. Mit den Jahren wurde das klar und wir fokussierten auf die angepassten Arbeitsplätze im Rahmen der IV. Diese Arbeitsplätze bei uns in der Schlosserei sind für Menschen, die selber im Leben oft unangepasst und dadurch sehr frei sind. Das hatte auch Einfluss auf unser Tun.
Wie hat sich eure Arbeitswelt in all den Jahren verändert?
Als ich bei Terra Vecchia anfing, gab es weder Internet noch Computer im Betrieb. Lange dachte ich auch, wir brauchen das nicht (lacht). Dann kam der Fax, erst auf der Post, später im Betrieb. Mit der Digitalisierung wurden Pläne auf CAD umgestellt, das brachte Vorteile, aber auch höhere Ansprüche. Hinzu kamen auch immer mehr Vorschriften, Abklärungen, Papierkram. Unser Handwerk selbst hat sich kaum verändert, höchstens die Maschinen.
Du hast auch in schwierigen Zeiten Verantwortung getragen. Woher nimmst du deine Ruhe?
Ich bin von Natur aus ein ruhiger Mensch. Manchmal wäre es sicher besser gewesen, schneller zu reagieren. Aber ich denke, mit Ruhe kommt man meistens besser durchs Leben. Zudem habe ich vor Terra Vecchia mehrere Jahre als Lehrer an einer Handwerkerschule in Uganda gearbeitet. Diese Zeit hat mich geprägt und vieles hier relativiert.
Was bedeutet für dich gute Führung?
Wichtig ist, Klarheit zu schaffen: Die Leute sollen wissen, woran sie sind. Ich halte viel von Vorbildfunktion. Man kann nichts erwarten, was man selbst nicht lebt. Authentizität ist mir wichtig. Gleichzeitig habe ich den Mitarbeitenden viele Freiheiten gelassen, das fördert die Eigeninitiative. Kritik anzubringen war für mich eher schwierig.
Gibt es etwas, das du rückblickend anders machen würdest?
Ja, einiges (lacht). Auf der Ebene der Mitarbeitenden war ich wohl oft zu geduldig oder zu unentschlossen, habe Unangenehmes vor mir hergeschoben. Auf der Klient:innenebene hingegen waren Geduld und genug Zeit wertvoll.
Welche Begegnungen bei Terra Vecchia bleiben dir besonders in Erinnerung?
Nicht unbedingt Einzelpersonen, sondern das ganze Umfeld. Mir gefiel immer die Haltung: sozial, aber nicht überbehütend, frei und tolerant. Terra Vecchia bedeutet, mit Menschen umzugehen, nicht sie verändern zu wollen. Diese Grundhaltung habe ich über all die Jahre geschätzt.
Wie hast du dich auf den neuen Lebensabschnitt vorbereitet?
Letzthin habe ich mir ein Rennvelo gekauft. Ich habe zwar schon eins, auch ein Gravelbike, aber ich fahre einfach gerne und möchte so symbolisch in diese neue Zeit hineinfahren. Auch bastle ich oft an unserem Haus rum. Und ich bin in die Dorfpolitik eingestiegen, seit Anfang 2025 im Gemeinderat. Alles andere lasse ich bewusst offen.