«Unternehmer sein und mit Menschen arbeiten – diesen Mix fand ich cool!»

Über 30 Jahre prägte Jost Eggenschwiler die Schlosserei von Terra Vecchia. 1992 trat er seine Stelle als Betriebsleiter an und baute den kleinen Betrieb zu einer weit über die Region hinaus bekannten Bauschlosserei aus. Später engagierte sich Jost Eggenschwiler auch in der Geschäftsleitung. Nun tritt er in Pension – mit Gelassenheit, Humor und vielen Erinnerungen.

Text: Rea Wittwer

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«Unternehmer sein und mit Menschen arbeiten – diesen Mix fand ich cool!»
«Unternehmer sein und mit Menschen arbeiten – diesen Mix fand ich cool!»

Jost, du hast die Schlosserei seit 1992 aufgebaut und geprägt. Was waren grosse Herausforderungen, und wie bist du ihnen begegnet?
Am Anfang mussten wir ausprobieren, was funktioniert und eine Nische finden. Wir haben Möbel und Spezialaufträge realisiert. Auch eigene Produkte wie Büchergestelle, Kerzenständer oder Tischgestelle wurden entwickelt. Mit der Zeit haben wir uns dann auf die klassischen Arbeiten spezialisiert: Geländer, Velounterstände, spezielle Anfertigungen. Das war auch für unsere Klient:innen sinnvoller. Wir hatten von Anfang an viele Freiheiten. Eine Herausforderung war deshalb die Frage, wie wir in die Strukturen von Terra Vecchia eingebunden werden und wer überhaupt unsere Klientel ist. Mit den Jahren wurde das klar und wir fokussierten auf die angepassten Arbeitsplätze im Rahmen der IV. Diese Arbeitsplätze bei uns in der Schlosserei sind für Menschen, die selber im Leben oft unangepasst und dadurch sehr frei sind. Das hatte auch Einfluss auf unser Tun.

Wie hat sich eure Arbeitswelt in all den Jahren verändert?
Als ich bei Terra Vecchia anfing, gab es weder Internet noch Computer im Betrieb. Lange dachte ich auch, wir brauchen das nicht (lacht). Dann kam der Fax, erst auf der Post, später im Betrieb. Mit der Digitalisierung wurden Pläne auf CAD umgestellt, das brachte Vorteile, aber auch höhere Ansprüche. Hinzu kamen auch immer mehr Vorschriften, Abklärungen, Papierkram. Unser Handwerk selbst hat sich kaum verändert, höchstens die Maschinen.

Du hast auch in schwierigen Zeiten Verantwortung getragen. Woher nimmst du deine Ruhe?
Ich bin von Natur aus ein ruhiger Mensch. Manchmal wäre es sicher besser gewesen, schneller zu reagieren. Aber ich denke, mit Ruhe kommt man meistens besser durchs Leben. Zudem habe ich vor Terra Vecchia mehrere Jahre als Lehrer an einer Handwerkerschule in Uganda gearbeitet. Diese Zeit hat mich geprägt und vieles hier relativiert.

Was bedeutet für dich gute Führung?
Wichtig ist, Klarheit zu schaffen: Die Leute sollen wissen, woran sie sind. Ich halte viel von Vorbildfunktion. Man kann nichts erwarten, was man selbst nicht lebt. Authentizität ist mir wichtig. Gleichzeitig habe ich den Mitarbeitenden viele Freiheiten gelassen, das fördert die Eigeninitiative. Kritik anzubringen war für mich eher schwierig.

Gibt es etwas, das du rückblickend anders machen würdest?
Ja, einiges (lacht). Auf der Ebene der Mitarbeitenden war ich wohl oft zu geduldig oder zu unentschlossen, habe Unangenehmes vor mir hergeschoben. Auf der Klient:innenebene hingegen waren Geduld und genug Zeit wertvoll.

Welche Begegnungen bei Terra Vecchia bleiben dir besonders in Erinnerung?
Nicht unbedingt Einzelpersonen, sondern das ganze Umfeld. Mir gefiel immer die Haltung: sozial, aber nicht überbehütend, frei und tolerant. Terra Vecchia bedeutet, mit Menschen umzugehen, nicht sie verändern zu wollen. Diese Grundhaltung habe ich über all die Jahre geschätzt.

Wie hast du dich auf den neuen Lebensabschnitt vorbereitet?
Letzthin habe ich mir ein Rennvelo gekauft. Ich habe zwar schon eins, auch ein Gravelbike, aber ich fahre einfach gerne und möchte so symbolisch in diese neue Zeit hineinfahren. Auch bastle ich oft an unserem Haus rum. Und ich bin in die Dorfpolitik eingestiegen, seit Anfang 2025 im Gemeinderat. Alles andere lasse ich bewusst offen.


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«Sie sollen ihren eigenen Weg machen, aber ich denke, wir haben das gut aufgegleist.»

Jost Eggenschwiler
Ehemaliger Betriebsleiter Schlosserei

Wem übergibst du die Schlosserei – und mit welchem Gefühl?
Nik Suter und Marcel Krebs übernehmen die Leitung gemeinsam. Beide arbeiten schon lange in der Schlosserei und kennen den Betrieb gut. Diese Co-Leitung ist ein Idealfall: Sie können sich austauschen und einander ergänzen. Doch, ich denke, wir haben das gut aufgegleist – sollte es nicht klappen, bin nicht ich schuld (lacht).

Welche Werte möchtest du den beiden mitgeben?
Sie sollen ihren eigenen Weg machen, sie haben fünf Jahre mit mir gearbeitet und meine Werte gespürt. Diese stimmen gut mit denjenigen von Terra Vecchia überein.

Wie würdest du denn Terra Vecchia heute beschreiben?
Die Stiftung hat in den letzten zehn Jahren strukturell enorm viel erreicht. Prozesse und Verantwortungen sind klarer geworden; auch weil die heutigen Mitarbeitenden dies erwarten. Im Umgang mit den Klient:innen hat sich hingegen weniger verändert: Die Haltung ist nach wie vor menschlich und persönlich. Es geht um professionelle Nähe, nicht um professionelle Distanz.

Was hat dir am meisten Freude gemacht?
Der Mix! Unternehmerisch handeln, Produkte herstellen, Geld reinbringen – und gleichzeitig die sinnvolle, soziale Arbeit mit den Klient:innen. So viele originelle Menschen kennenzulernen war eine grosse Bereicherung für mich. Ich konnte mich innerhalb von Terra Vecchia weiterentwickeln, auch mit der Erfahrung als Mitglied der Geschäftsleitung. Das war wichtig, sonst wäre es mir wohl verleidet.

Was wünschst du dir für die Stiftung?
Ganz konkret: Dass das Projekt «Werkhallen» in Worb erfolgreich wird. Insgesamt wünsche ich mir, dass es Terra Vecchia gelingt, trotz immer mehr Vorgaben und Vorschriften von aussen, die Individualität und Originalität erhalten zu können.